Die Contax RTS … eine neue Favoritin?

Wieder habe ich eine neue Contax in meinem Bestand: eine Contax RTS. Nachdem ich vor Jahren zufällig an eine Contax 137 MD gekommen bin, hat sich mein Verhältnis zu alten analogen Kameras definitiv geändert. Sicherlich finde ich alte Kameras noch immer interessant, probiere auch gerne was Neues aus. Allerdings habe ich damals „meine“ Kamera gefunden. Die 137 MD ist sicherlich nicht spektakulär, aber sie fühlt sich beim Fotografieren einfach nach einem Teil von mir an. Dazu kommt das sehr gute Angebot an Objektiven sowohl von Carl Zeiss als auch die Yashica ML-Reihe, deren Festbrennweiten meiner Meinung nach durchaus mit den Zeiss-Objektiven mithalten können. Mit den Jahren kamen noch zwei 137 MD Bodies zu mir, um etwas Reserve zu haben. Doch nun habe ich mir mit der Contax RTS die „Mutter“ dieser Contax Reihe zugelegt.

Contax RTS mit Carl Zeiss Planar 1.4/50

Diese Neuerwerbung war wirklich ganz besonders. Eigentlich war ich nur auf der Suche nach einem lichtstärkeren 50er Objektiv. Prinzipiell kamen da das Carl Zeiss Planar 1.4/50 oder das Yashica ML 1.4/50 infrage. Das Planar ist ein gutes Stück besser, aber auch bedeutend teurer. Doch manchmal kann man Schnäppchen machen, wenn man nach Kameras mit dem entsprechenden Objektiv sucht. In diesem Fall war das „Anhängsel“ eine Contax RTS.

Wie entstand die Contax RTS?

Die RTS war die erste Kamera aus der 1972 geschlossenen Kooperation zwischen Carl Zeiss und Yashica. Die nach Kriegsende in Stuttgart aufgebaute Kameraproduktion von Zeiss Ikon brachte zwar ein paar mechanisch interessante Kameras hervor, war insgesamt jedoch gegen die aufkommende japanische Konkurrenz erfolglos. Ganz in der Zeiss Ikon Tradition setzte man auf Präzision und hohe Handwerkskunst statt auf Wirtschaftlichkeit und Flexibilität. Mit genau diesem Vorgehen hatte Zeiss Ikon schon den Wettkampf gegen die Leica II verloren. Nun kam noch eine gewisse Arroganz dazu, mit der man Kundenwünsche und Marktentwicklung ignorierte. Spätestens Mitte der 60er Jahre war absolut klar, dass es so nicht weitergehen konnte.

Zeiss Ikon Contaflex Super
Eine typische Zeiss Ikon Kamera dieser Zeit: die Contaflex Super

Während die Nachfolger von Zeiss Ikon in Dresden durch radikale Veränderungen der Unternehmensstruktur und der Produktstrategie mit der Praktica L-Reihe ein konkurrenzfähiges Produkt herausbringen konnten, reagierten die Stuttgarter „Kollegen“ viel zu spät und unentschlossen. Mit dem Beginn der 70er Jahre wurde die Kameraproduktion komplett eingestellt. Dieses Ende ist in gewisser Weise tragisch. Die Icarex 35 hatte Potential, wurde aber halbherzig umgesetzt und kam aber viel zu spät. Es ist aber vor allem um Voigtländer schade … ein Unternehmen, das mit zum Konzern gehörte und damit das Schicksal von Zeiss Ikon teilte. Dabei steckte meiner Meinung nach gerade bei Voigtländer viel Potential. Wirklich schade! Doch ohne dieses Ende hätte es keine Kooperation mit Yashica und nicht diese großartige Contax-Reihe gegeben, deren Anfang bereits 1974 die Contax RTS war.

Rückseite der RTS

Bei der Konstruktion dieser Kamera haben sich Zeiss und Yashica noch einen dritten Partner ins Boot geholt: F. A. Porsche. Vielleicht liegt es daran, vielleicht auch nicht … diese Kamera ist für die damaligen Verhältnisse nicht nur technisch fortschrittlich, sie sieht auch so aus. In der Hand fällt zunächst das Gewicht auf. Anders als bei früheren Zeiss Kameras wie der Contaflex fühlt sie sich aber nicht wie ein unhandlicher Klotz an, sondern wie eine robuste Kamera für Profis. Beim näheren Blick überzeugt die tolle und präzise Verarbeitung. Am deutlichsten wird das bei der Belederung. Aus irgendeinem Grund hat Yashica es nicht hinbekommen, einen haltbaren Kunstlederbezug herzustellen. Daher sehen gebrauchte 139 oder 137 in der Regel ziemlich ramponiert aus. Ganz anders bei der Contax RTS. Sie hat einen Bezug aus Echtleder, der sich wunderbar anfühlt.

Einige Fakten zur RTS

Aber auch unter dem Gehäuse Ist die Contax RTS durchaus hochwertig, wie es sich für eine Profikamera gehört. Die Bezeichnung RTS leitet sich aus „Real Time System“ ab und ist ein Hinweis auf die komplett elektronische und fast verzögerungsfreie Zeitenbildung und Auslösung. Das hat aber auch Nachteile. Ohne Batterie funktioniert bei dieser Kamera nichts, denn es gibt kein mechanisches Fallback. Da sie eine 4SR44 Batterie benötigt, die man nicht mal eben an jeder Tankstelle bekommt, ist die Batteriekontrolle wohl eine der wichtigsten Funktionen … vor allem im Winter. Es gibt für diese Kamera tatsächlich eine mit Kabel anschließbare Zusatzbatterie, die man im Winter in der warmen Jackentasche aufbewahren kann.

Contax RTS

Der Auslöser arbeitet wie alles andere auch elektronisch. Der Auslöseweg ist sehr kurz … ähnlich wie bei den Agfa Sensor Auslösern. Das ist prinzipiell ein Vorteil, um die Kamera nicht zu verreissen. Ich musste mich daran auch erstmal gewöhnen. Es hilft sehr, den Zeigefinger möglichst bis zum Schluss auf dem separaten Knopf für die Belichtungsmessung zu lassen. Im Inneren der RTS arbeitet auch ein neu entwickelter Verschluss. Zwar hat die RTS noch einen Tuchverschluss, doch die beiden Vorhänge überlappen sich nicht. Damit erreicht sie 1/2000 Sekunde als kürzeste Belichtungszeit … damals ein hervorragender Wert! Man darf nicht vergessen, dass wir vom Jahr 1974 reden. Das vergisst man bei dieser Kamera sehr schnell.

Eine Bedienungsanleitung zur Contax RTS gibt es übrigens hier.

Einige technische Daten der Contax RTS

SucherDachkant-Prismensucher, Gesichtsfeld: 92%, Anzeige von Belichtungszeit und Blende, auswechselbare Mattscheiben (4 Stück)
ObjektivanschlussC/Y-Bajonett
SchärfentiefenkontrolleMit Abblendtaste
BelichtungsmessungMittenbetonte Messung, TTL
BelichtungsfunktionenZeitautomatik, manuell
FilmempfindlichkeitsbereichISO 12 bis 3200
BelichtungskorrekturManuell +/- 2 Blendenstufen
MehrfachbelichtungenJa
AutofokusNein
VerschlussHorizontal ablaufender Tuchschlitzverschluß
Verschlusszeiten4 bis 1/2000 s, Bulb
Batterie6 V Silberoxidzelle PX-28
Abmessungen (B x H x T)142 x 90 x 50 mm
Gewichtca. 700 Gramm

Der Vergleich: Contax RTS vs. 137 MD

Die Contax RTS wurde 1974 vorgestellt. Vergleiche ich sie mit meiner 1980 eingeführten 137 MD, werden Gemeinsamkeiten und Unterschiede deutlich sichtbar. Trotz des recht langen Zeitraums zwischen beiden Kameras ist die Verwandtschaft deutlich sichtbar. Das ist kein Wunder, denn das Design der RTS diente als Vorlage für alle folgenden Kameras der Reihe. Doch auch die Unterschiede sind deutlich. Die RTS war für professionelle Anwender gedacht, während sich die 137 MD eher an anspruchsvolle Amateure wendet. Daher hat sie anders als die 137 MD zusätzlich zur Zeitautomatik auch einen manuellen Modus, Spiegelarretierung und wechselbare Mattscheiben. Sie besitzt keinen Motor, der kann jedoch zusätzlich montiert werden. Eine Belichtungskorrektur besitzen beide Kameras. Ein AE-Lock hat dafür nur meine 137 MD.

Contax RTS und 137 MD
Contax RTS (oben) und 137 MD (unten)

Da sie mehr Funktionen als meine 137 MD besitzt, herrscht auf der Oberseite der Contax RTS auch etwas mehr Gedränge. Das ist typisch für diese ganze Contax-Reihe, da der Prismenkasten recht breit ist. Das bringt zwar einen großen und recht hellen Sucher, aber weniger Platz für Bedienelemente. Gerade das Einstellrad für die Filmempfindlichkeit wirkt recht wuchtig. Doch trotzdem fühlt sich beim Fotografieren für mich alles sehr stimmig an. Dann ist dieses große Einstellrad sehr praktisch zum einfachen Einstellen der Belichtungskorrektur. Die Bedienung ist insgesamt einfach wunderbar! Zwar ist der sehr sensible Auslöser erstmal gewöhnungsbedürftig, aber danach ist die RTS eine Kamera, über die man nicht weiter nachdenken muss. Nur so kann man sich voll auf die Aufnahme konzentrieren. So muss eine gute analoge Kamera sein!

Mein Fazit

Mit der Contax RTS in der Hand kommt bei mir ein Gefühl auf, dass ich schon von der 137 MD kenne: Damit kann ich gute Bilder machen. Auch wenn es keinen logischen Grund dafür gibt. Sie passt einfach! Doch anders als bei der 137 MD ist die RTS noch viel mehr. Die Präzision, mit der diese Kamera gefertigt ist, finde ich faszinierend. Mein Exemplar wurde schon reichlich benutzt und hat eine schöne Patina. Trotzdem sitzt alles fest an seinem Platz. Die Bedienung sowie die Geräusche beim Spannen und Zurückspulen des Filmes machen diese Kamera zu einem absoluten Erlebnis.

Contax 137 MD und RTS

Wird die Contax RTS meine 137 MD als neue Favoritin komplett ersetzen? Ich benutze die 137 MD noch sehr häufig. An der RTS vermisse ich den Messwertspeicher, den ich oft benutze. Aber wir reden hier vom Jahr 1974 … da ist das absolut in Ordnung. Trotzdem benutze ich die RTS häufig, meist nur in Verbindung mit dem sehr schönen Zeiss Planar 1.4/50. Hin und wieder überkommt mich aber der Wunsch nach einer RTS II, die einige grundlegende Verbesserungen wie eine überarbeitete Elektronik, einen Messwertspeicher und statt des Tuchverschlusses einen aus Titanfolie besitzt. Sie hat noch eine schöne Funktion: der Sucher lässt sich verschließen, was bei Langzeitbelichtungen extrem sinnvoll ist. Na ja … mal sehen.

Trotz dieser Punkte halte ich die Contax RTS für eine der interessantesten Kameras, die ich kenne. Sie verdient das Label „Profikamera“ absolut hinsichtlich Funktionalität, Verarbeitung und Robustheit. Darüber hinaus ist sie wunderbar bedienbar … alles ist ganz genau dort, wo ich es gerne haben möchte. Dazu kommt dieses einzigartige Contax-Gefühl, das ich nicht in Fakten ausdrücken kann. Ich kann nur empfehlen, sie mal auszuprobieren! Da die RTS von 1975 bis 1982 produziert wurde, wird sie noch oft angeboten. Ein guter Body ohne Objektiv wird je nach Zustand zwischen 80 und 130 € gehandelt, mit Objektiv ist der Preis teilweise deutlich darüber.

2 Kommentare zu “Die Contax RTS … eine neue Favoritin?”

  1. Danke schön für die sympathische und nach meinem Eindruck zutreffende Vorstellung eines Kamera-Underdogs. Zur zuletzt erwähnten RTS II von 1982 könnte man noch ergänzen, dass die überarbeitete Elektronik einen großen Fortschritt brachte: vor allem mit komplett digitalen Sucheranzeigen, die die RTS II noch heute zur perfekten Available-Light-Kamera machen: angelehnt an die Canon A-1, aber schneller zu überblicken. Da ist sie sogar dem gleichaltrigen Profi-Arbeitstier Canon New F-1 weit überlegen. Auch die Sucherhelligkeit der RTS II erreicht die New F-1 nur mit ihren speziellen „Superhellen LaserEinstellscheiben“. Der schnelle Auslöser der Contax RTS und RTS II – den auch ihre Winder und Motoren haben -ist ideal für die Action-Fotografie. Auch der Elektronik-Hauptschalter war eine gute Idee. Der RTS voraus hat die RTS II schließlich noch die TTL-Blitzsteuerung, die noch bei Produktionsende der RTS II State of the Art war. Die Kamera wurde bis 1987 gebaut, mit 40.000 gut halbsoviele Exemplare wie RTS von 1975 bis 1982. Schwäche der RTS II sind ihr relativ lauter Verschluss (klingt fast wie der einer Vorkriegs-Contax) und der klappernde Spiegelschlag. Auch könnte der Hauptschalter etwas griffiger sein. Unterm Strich aber ein sehr praktikables Foto-Werkzeug. In den 80ern hochpreisig, heute tendenziell unterbewertet.

    1. Ja … mit den Contax SLRs aus dieser Ära ist das so eine Sache. Vielen sind diese Kameras gar nicht so geläufig wie zum Beispiel die Canon- und Nikon-Modelle dieser Zeit. Mich erstaunt aber immer wieder, dass es doch eine zwar kleine, aber sehr treue Fangemeinde gibt. Das muss dann noch nichtmal eine RTS sein … sogar die 139 hat ihre Liebhaber. Ich probiere zwar sehr gerne auch andere Kameras aus … mag auch meine Canons und die Yashica Electro 35 sehr. Aber am häufigsten bin ich doch mit einer Contax unterwegs und sehe absolut keinen Grund, das zu ändern. Das sind einfach richtig gute Kameras.

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