Ich hatte bisher tatsächlich noch nie eine Polaroid Kamera! Selbst als das noch „in“ war, haben mich diese großen, klobigen Kameras und nicht zuletzt die Bildqualität abgeschreckt. Okay … damals kannte ich die SX-70 noch nicht, die ich für eine der schönsten Kameras des letzten Jahrhunderts halte. Natürlich ohne den Autofokus-Klotz obendrauf. Aber selbst die habe ich mir (bisher) nicht gekauft. Kürzlich bekam ich jedoch eine Kiste mit alten Kameras. Und mit dabei: eine Polaroid Impulse AF.
Nach einer Weile des Grübelns, was man mit dieser Kamera machen kann, bin ich auf das Thema Polaroid Emulsion Lift gestoßen. Und war sofort angefixt.
Was ist ein Polaroid Emulsion Lift?
Der Begriff „Emulsion“ ist im Zusammenhang mit Fotografie am einfachsten an einem Film zu erklären. So ein Film besteht aus einem Trägermaterial aus Zelluloid und der lichtempfindlichen Fotoemulsion. Die besteht aus Gelatine, in der Silbersalze fein verteilt sind. Das gleiche Prinzip lässt sich auch auf anderen Trägermaterialien wie Papier finden. Man kann Fotoemulsion sogar separat kaufen und damit andere Materialien wie zum Beispiel Glas beschichten. Das Ziel bei einem Emulsion Lift ist es nun, die Emulsion bei einem fertig belichteten, entwickelten und fixierten Foto abzulösen und auf ein anderes Material zu übertragen. Prinzipiell könnte das ja auch bei einem Foto oder einem Dia-Film gehen, doch die Emulsion sitzt sehr fest. Bei einem Polaroid-Bild geht das viel leichter.
Spätestens jetzt könnte ein kleinlicher Mensch sagen, dass das Quatsch ist. Die Fotoemulsion ist eigentlich eine Suspension und beim Polaroid Emulsion Lift wird auch nicht die Emulsion abgelöst. Ja … stimmt alles. Polaroid-Filme sind deutlich komplizierter aufgebaut. Zwischen transparentem Kunststoff vorn und schwarzem Kunststoff an der Rückseite befindet sich neben mehreren Schichten aus Chemikalien eine Positivschicht, die sich ablösen und übertragen lässt. Und für dieses Verfahren hat sich der Name „Emulsion Lift“ durchgesetzt.
So neu ist das übrigens nicht. Schon kurz nach dem Erscheinen der ersten Polaroid-Kameras haben auch Künstler damit experimentiert. Andy Warhol hat zum Beispiel sehr viel mit Polaroids fotografiert. Auch damals wurde schon versucht, Polaroid-Bilder zu manipulieren. In den 80ern und 90ern wurde das richtig populär, als Künstler wie Robert Rauschenberg mit Emulsion Lifts arbeiteten. Aktuell spielt diese Technik keine allzu große Rolle, ist aber durchaus faszinierend.
Polaroid Emulsion Lift … wie macht man das?
Prinzipiell lassen sich sehr viele Anleitungen im Netz finden. Zunächst muss man die Positivschicht von allen anderen Bestandteilen des Polaroid Fotos gelösen. In der Regel wird empfohlen, durchgetrocknete Polaroids (2-3 Tage nach der Aufnahme) in kochendem Wasser einzuweichen. Ich habe diese Methode ausprobiert und mag sie nicht wirklich. Nach 2-3 Tagen ist die Bindung zwischen der Positivschicht und sowohl der transparenten Kunststofffolie vorn als auch den Chemikalien auf der Rückseite sehr hoch. Durch das kochende Wasser löst sich das Bild von der Kunststoffschicht, allerdings muss gerade an den Rändern oft mit einem festeren Pinsel nachgeholfen werden. Beschädigungen sind dabei vorprogrammiert. Auch die Chemikalien lassen sich nicht ohne Rückstande entfernen. Die Positivschicht wird daher nicht so transparent wie gewünscht.
Deutlich einfacher geht es mit sehr frischen Polaroids, die erst vor 30-60 Minuten aufgenommen wurden. Bei Farbfilmen klebt die Positivschicht noch nicht so fest an der transparenten Kunststoffschicht. Nach dem Ausschneiden des Bildes lässt sie sich einfach per Hand abziehen. In lauwarmes Wasser gelegt, löst sich die Positivschicht auch ganz allein von den Chemikalien und wird wunderbar transparent. Mit einem weichen Pinsel lassen sich auch ggf. verbleibende Chemie-Reste an den Rändern gut entfernen.
Frische Schwarz-Weiß Filme verhalten sich etwas anders. Hier löst sich die Positivschicht samt transparenter Vorderseite recht gut von den Chemikalien. In lauwarmem Wasser lösen sich sowohl restliche Chemikalien als auch die Folie sehr gut von der Positivschicht. Ich habe bei Versuchen mit Schwarz-Weiß Film jedoch ein sehr starkes Aufquellen festgestellt. Die Schicht wird nicht nur größer, sondern auch dicker und rollt sich an den Rändern ein. Es ist einfacher, die Schicht spiegelverkehrt zu übertragen.
Das Ablösen der Positivschicht ist aber nur der erste Schritt. Um sie glatt auf ein Trägermaterial zu bekommen, benötigt man Fingerspitzengefühl, Geduld und das richtige Werkzeug. Es gab mal ein Pinselset von Impossible namens „Lift it“, das aber leider nicht mehr verfügbar ist. Ich benutze zum Teil Kosmetikpinsel, die sehr weich sind. Damit klappt das ganz gut. Spätestens beim Trocknen zeigt sich dann, wie gut das Papier ist. Das Ergebnis soll ja nicht komplett gewellt sein. Aber wie immer hilft nur testen, testen und nochmal testen. Und dann bekommt man auch gute Ergebnisse hin.
Für mich ganz wichtig: der Polaroid Lab Printer
Um frische Polaroids verwenden zu können, ist eine Kamera nicht optimal. Man kann natürlich im heimischen Studio irgendwas machen, zum Experimentieren einfach irgendwas aufnehmen, aber ein Polaroid Lab Printer ist natürlich großartig. Wobei die Bezeichnung „Printer“ irreführend ist … das Bild wird ja nicht gedruckt, sondern auf Polaroid-Film abfotografiert. Ich verwende meinen sehr gerne, auch um die digitale Vorlage vorher noch bearbeiten zu können. Nicht nur hinsichtlich Kontrast oder Helligkeit, gerade Collagen können so sehr genau zugeschnitten und auf Polaroid-Film abfotografiert werden. Ich mag das Teil jetzt schon sehr!
Prinzipiell büßt das Ergebnis ein wenig an Originalität ein. Schließlich wird ein Polaroid-Foto bei der Verarbeitung zerstört und kann nicht wiederverwendet werden. Bei der Verwendung eines Polaroid Lab Printers ist das ebenfalls so, allerdings kann man die digitale Basis immer wieder verwenden. Trotzdem wird das fertige Resultat durch den Bildtransfer vom Polaroid auf ein neues Trägermaterial immer ein Unikat sein.
Es gibt noch viel zu tun!
Von den bisherigen Ergebnissen bin ich sehr begeistert. Ich mag die Anmutung der Polaroid Bilder zum Beispiel auf grob strukturiertem Aquarellpapier. Die Positivschicht eines Polaroids ist so dünn, dass selbst feine Prägungen des Trägermaterials wie zum Beispiel eine Leinenstruktur sichtbar sind. Die Auswahl der Trägermaterialien ist riesig. Neben vielen verschiedenen Papiersorten funktionieren auch andere Materialien wie Stein, Holz, Acryl und vieles mehr. Daneben sind natürlich auch Collagen und absichtliche Beschädigung möglich.
Noch ist aber nicht alles optimal. Ich experimentiere mit mehreren Aquarellpapieren, um ein optimales Ergebnis zu bekommen. Gerade mit dem Trocknen bin ich noch nicht zu 100% zufrieden. Aber ich bekomme das schon hin! Und dann wird es auch weitere Resultate und eine richtige Anleitung zu sehen geben. Ich bin schon sehr gespannt, was da noch alles kommt!
Frank Vogler (Autor)
Vor ein paar Jahren habe ich die analoge Fotografie in Schwarz-Weiß für mich entdeckt und mich dabei neu in Fotografie verliebt. Ich würde mich freuen, andere zu unterstützen und vielleicht auch etwas zu inspirieren. Mehr lesen …