Alte Box-Kameras sind recht interessante Geräte. Warum? Während andere analoge Kameras durch ihre ausgeklügelte Mechanik, elektronische Hilfen und präzise Optiken begeistern, faszinieren mich Box-Kameras durch das Fehlen von all diesen Dingen. Ein einfaches Gehäuse aus Blech, Bakelit oder Pappe, eine simple Meniskus-Linse, ein sehr einfacher Verschluss … fertig! Eine der am meisten verbreiteten Boxkameras ist die Agfa Box mit unterschiedlichen Modellen. Das für mich interessanteste Modell ist dabei die letzte Agfa Box: die Agfa Clack.

Die Agfa Box
Agfa hatte in der Zeit vor 1945 einen sehr großen Marktanteil in Deutschland. Auch wenn das Unternehmen mit den Billy Modellen eine durchaus erfolgreiche Reihe von aufwendigeren Mittelformatkameras am Markt hatte, lag der Löwenanteil des Erfolges bei der Agfa Box. Sie war extrem simpel, billig zu produzieren und jeder konnte damit fotografieren. Das Negativformat 6×9 cm eignete sich für einfache Kontaktabzüge. Eine perfekte Kamera für den Amateur und damit auch perfekt geeignet, um den Absatz von Agfa-Filmen zu erhöhen und potentiellen Kunden der teureren Kameras sowohl die Fotografie an sich als auch die Marke Agfa näher zu bringen.

Vor 1945 wurden zahlreiche Modelle der Agfa Box hergestellt. Nach dem Krieg produzierte Agfa zunächst in der Schweiz, ab 1950 auch wieder in Deutschland die Agfa Box 50. Ab hier wird die Geschichte sehr überschaubar. Die 1951 erschienene Agfa Sychro Box ist eigentlich nur eine Box 50 mit Blitzanschluss. Von 1954 bis 1965 wurde die Agfa Clack hergestellt, die alle üblichen Boxen wirklich alt aussehen ließ. Sie war auch die letzte Kamera, die mit ihrem Bildformat von 6×9 zu den Agfa Box-Kameras gerechnet wird. Die sehr ähnliche Agfa Click mit ihrem Format von 6×6 erschien wenige Jahre später. Sie bildete beim Produktionsende 1970 dann auch das Ende der Produktion von Mittelformatkameras bei Agfa.
Die Agfa Clack und eine traditionelle Box im Vergleich
Ich habe mir vor einiger Zeit eine Agfa Box 50 gekauft. Sie diente erst als Leihgabe zur Dekoration in einem Schaufenster und kam danach wieder zu mir. Zum Herumliegen war sie mir zu schade und das Verkaufen lohnt schon fast die Mühe nicht. Der Markt ist voll von diesen Kameras. Also habe ich sie benutzt.

Im Vergleich zur Agfa Clack ist die Box 50 ist sehr traditionell aufgebaut. Ein schwarzer Kasten, in diesem Fall aus Blech mit zwei Brillantsuchern. Der herausnehmbare Einsatz hält die beiden Filmspulen und die sehr simple Meniskus-Linse. Ein Meniskus, teilweise auch als Monokel bezeichnet, ist eine konvex-konkav geformte Sammellinse. Gerade bei Box-Kameras war sie häufig anzutreffen. Von einer solchen Linse ist natürlich keine hohe Abbildungsqualität zu erwarten, erst recht nicht an den Bildrändern. Dazu kommen Verzeichnungen je nach Position vor oder hinter der Blende. Doch das große Filmformat von 6×9 glich die Schwächen der Linse etwas aus. Zudem war sie billig und für nicht sonderlich anspruchsvolle Amateure absolut ausreichend. Solch eine Kamera war ohnehin eher für Schnappschüsse im Urlaub gedacht.

Die von 1953 bis 1965 hergestellte Agfa Clack unterscheidet sich grundlegend von der traditionellen Agfa Box. Sie ist kein so eckiger Kasten mehr, wirkt durch die Rundungen sogar fast elegant. Diese Rundung hat jedoch auch einen Sinn. Der Film wird nicht mehr plan, sondern in einem leichten Bogen geführt, um Verzeichnungen zu minimieren. Der Film wird hier auch nicht mehr vertikal, sondern horizontal geführt. Und endlich gibt es etwas wie einen Sucher und eine Abdeckung für das rote Sichtfenster in der Rückwand.

Es gibt aber noch einen kleinen, aber dafür nach meiner Erfahrung sehr wichtigen Unterschied.
Wichtigster Unterschied: das Sichtfenster
Die Agfa Box 50 hat ein für mich großes Problem. Das rote Sichtfenster in der Rückwand ist nicht zuverlässig nutzbar, da die Nummern auf dem Trägerpapier des Filmes nur sehr schlecht ablesbar sind. Ich habe mehrere Mittelformat-Kameras mit einem Rotfenster, hatte aber bisher niemals solche Probleme. Bei dieser Box kommen aber mehrere Punkte zusammen. Das größte Problem dürfte die Filmandruckplatte sein, die den Abstand zwischen Film und Rückwand vergrößert. Dass mein Lieblingsfilm Ilford Delta bspw. im Vergleich zum Fomapan recht filigrane Zahlen auf der Rückseite hat und die Oberfläche des Rückfensters sehr spiegelt, hat das alles noch verschlimmert.

So sehr ich mich auch bemüht habe … es gab immer wieder unbelichtete Abschnitte auf meinen Filmen. Ich habe die Zahlen einfach nicht bemerkt. Und da ich mich so abmühen musste, gab es immer wieder auch Lichteinfall. Die Agfa Box 50 ist dafür sehr empfänglich, da das Licht sich nicht nur zwischen Film und Andruckplatte, sondern vor allem zwischen Andruckplatte und Rückwand ausbreiten kann. Agfa hat an dieser Stelle zwar eine Lichtdichtung verbaut, die mir allerdings nicht wirklich geholfen hat.

Die Agfa Clack ist ganz anders. Der Abstand zwischen Film und Rückwand ist sehr gering, daher sind die Zahlen auf dem Trägerpapier gut lesbar. Entsprechend einfach geht das Vorspulen und auch der Lichteinfall ist nicht mehr so tragisch. Auch wenn die Agfa Clack nicht mehr ganz so klassisch erscheint, ist in meinen Augen das besser nutzbare Rotfenster ein großer Vorteil gegenüber der Box 50.
Die Einstellungen der Agfa Clack
Die Einstellmöglichkeiten der Agfa Clack sind wie bei jeder Agfa Box sehr begrenzt. Auf einer Seite des Objektives kann die Belichtungszeit gewählt werden. Wobei „gewählt“ übertrieben ist. Man kann nur zwischen Langzeitbelichtung (B) und Momentaufnahme (M) wählen. Die Belichtungszeit liegt laut Bedienungsanleitung bei 1/35 Sekunde. Ich habe das nachgemessen … so ungefähr passt das auch. Allerdings ist die Toleranz recht groß, was bei einem so einfachen Rotationsverschluss auch zu erwarten ist.

Auf der anderen Seite des Objektives wird die Blende eingestellt. Über den Hebel werden unterschiedliche Lochdurchmesser bzw. Zusatzlinsen oder Filter eingeschwenkt. Die untere Stellung ist für sonniges Wetter gedacht. Hier unterscheiden sich frühe und später Modelle der Agfa Clack. Während bei frühen Modellen ein der Blende 16 entsprechendes Loch eingeschwenkt wird, gibt es bei späteren Modellen ein Loch mit der Blende 11 und einem Gelbfilter, was letzten Endes aber auf das Gleiche hinausläuft.


Die mittlere Stellung für einen bedeckten Himmel ist bei beiden gleich: Blende 11. Die dritte Einstellung ist für Nahaufnahmen gedacht. Hier wird bei Blende 11 eine zusätzliche Linse eingeblendet, die Nahaufnahmen erlaubt. Eine Möglichkeit zum Fokussieren ist bei der Agfa Clack nämlich nicht gegeben, Die beiden ersten Einstellungen beziehen sich auf eine Entfernung von 3 Metern bis unendlich. Die Nahlinse erlaubt Aufnahmen zwischen 1-3 Metern. Mehr gibt es nicht einzustellen.
Filme für die Agfa Clack
Gleich vorweg: ich empfehle die Benutzung von Schwarz-Weiß Filmen. Natürlich kann man auch Farbfilme verwenden. Schwarz-Weiß Filme verzeihen aber eher eine ungenaue Belichtung, denn die ist mit den vorhandenen Einstellungen nun mal nicht machbar. Das bedeutet aber nicht, dass es nicht möglich ist.

Einen Hinweis auf den benötigten Film gibt der kleine Aufkleber in der Kamera. Ein Film mit 17° DIN … das entspricht 40 ASA. Die Bedienungsanleitung listet die Einstellungen der Blende für Filme mit 17° und 21° DIN in der bis 1957 gültigen Schreibweise als Zehntel auf. Für beide Filme gelten die gleichen Einstellungen, wobei bei einem Film mit 21° DIN ein Gelbfilter verwendet werden soll, der die höhere Empfindlichkeit ausgleicht. Dafür kann ohne Gelbfilter auch bei trübem Wetter fotografiert werden. Doch diese Tabelle ist nur Theorie, denn die Werte sind heute nicht mehr korrekt.

Die Agfa Clack wurde in einer Zeit produziert, in der sowohl die DIN-Norm als auch die ASA-Norm geändert wurden. 1960 wurde die ASA-Norm wegen des Wegfalls eines Sicherheitsfaktors um eine Belichtungsstufe angehoben. Ein Film mit 100 ASA war nun ein 200 ASA Film. Die DIN-Norm wurde 1961 entsprechend angepasst, wobei sich die Hersteller mit der Umsetzung etwas Zeit ließen. Es ist also davon auszugehen, dass die Bedienungsanleitung noch die alten Werte zeigt. Der gleiche Film, der von Agfa als Standard empfohlen wird, wäre heute also ein 80 ASA Film und damit recht nahe an dem weit verbreiteten 100er.

Ich habe bei sonnigem Wetter gute Erfahrungen mit einem 100 ASA Film und aufgestecktem Gelbfilter gemacht. Für den Sommer passt das recht gut. Ich mag hier die Kombination aus 100er Fomapan und die Entwicklung in 510 Pyro, da durch die Tönung Lichter etwas eingefangen werden.

Scheint die Sonne mal nicht, verwende ich den 100er Film auch ohne den aufgesteckten Gelbfilter und entwickle im Zweifel ohne einen tönenden Entwickler. Hier wird das Licht mitunter aber schon sehr knapp.

Bei so wenig Licht gerade in der „dunklen“ Jahreszeit ist ein Film mit 200 oder bei sdhr trübem Wetter sogar 400 ASA optimaler. Die Belichtung ist dann noch immer nicht punktgenau, doch wer nach Bildqualität und perfekter Belichtung sucht, sollte sich ohnehin keine Agfa Clack anschaffen. Dafür wurde diese Kamera aber auch nicht gemacht. Sie war für Fotoamateure, die im Sommerurlaub ein paar Bilder knipsen wollten. Und das sind nicht die Leute, die im Winter bei trübem Wetter Fotos machen.
Mein Fazit
Das Fotografieren mit Kameras wie der Agfa Clack ist definitiv ein Erlebnis. Weil man ganz deutlich spürt, wie wenig Technik eigentlich benötigt wird. Eine einfache Linse, ein sehr simpler Verschluss und ein paar einschwenkbare Blenden / Filter / Zusatzlinsen … das reicht schon. Und die Ergebnisse sind durchaus besser, als ich zunächst vermutet hatte. Natürlich sind die Bilder nicht knackscharf und natürlich sind sie nicht auf den Punkt genau belichtet. Und natürlich sorgt die lange Belichtungszeit für Bewegungsunschärfe bei sich bewegenden Objekten wie zum Beispiel Radfahrern. Das kann jedoch zu interessanten Effekten führen.





Da die Agfa Clack über keine Mehrfachbelichtungssperre verfügt, sind Doppelbelichtungen nicht selten. Oftmals sind sie ungewollt. Wenn ich die Kamera nach mit angefangenem Film eine Zeitlang nicht benutze, stellt sich mir immer die gleiche Frage: habe ich beim letzten Mal schon vorgespult oder nicht? In der Regel rate ich falsch und habe dann entweder ein leeres Bild oder eine Doppelbelichtung. Allerdings kann man die Agfa Clack auch bewusst für Doppelbelichtungen einsetzen.
Bis auf die fehlende Mehrfachbelichtungssperre ist die Agfa Clack aber eine Kamera, bei der man nicht viel nachdenken muss. Sie ist sehr leicht und erstaunlich kompakt für dieses Filmformat. Gerade bei sonnigem Wetter kann man mit ihr nicht viel falsch machen. Das Ding macht schon Spaß … auch ohne viel Technik. Manchmal ist weniger tatsächlich mehr.

Frank Vogler (Autor)
Vor etwa 10 Jahren habe ich die analoge Fotografie in Schwarz-Weiß für mich entdeckt und mich dabei neu in Fotografie verliebt. Ich würde mich freuen, andere zu unterstützen und vielleicht auch etwas zu inspirieren. Mehr lesen …